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Sonntag, 24. April 2011

Wehrpflicht Ehrpflicht?

"Die Wehrpflicht hat jedoch nationalgeschichtlich weniger eine rationale, vielmehr eine große emotionale Bedeutung. Geschaffen wurde sie in Deutschland im Zuge der preußischen Reformen 1813 und steht symbolisch für die Mobilisierung der Wehrbereitschaft und des politischen Willens der ganzen Nation. Der Soldat war nun kein Söldner mehr, sondern ein Bürger in Waffen – unabhängig seiner Klassenzugehörigkeit."1

Diese Begründung stammt aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts und ist typisch für Nazipropaganda à la Goebbels Nationalschinken „Kolberg“, in dem das "Volk in Waffen" mystisch überhöht wird. Die Propaganda hat mit historischer Realität wenig tun.

Sowohl in Preußen und erst recht in Frankreich regte sich erheblicher Widerstand gegen die Einführung der Wehrpflicht. Der Aufstand in der Vendée geht wesentlich auf befohlene Massenaushebungen zurück. In Preußen war die Entfaltung einer überbordenten Nationalpropaganda notwendig um den Widerstand der Stände zu brechen. Von einem "Bürger in Waffen" war noch im 1. Weltkrieg keine Rede. Vielmehr war der Behuf auf die Untertanenpflicht die Regel. Man lese die Autobiografie von Hindenburg. Bis 1918 gab es in Deutschland keine Bürger, sondern Untertanen, die dem Ruf des Kaisers und ihrer Fürsten zu folgen und zu gehorchen hatten. Die absonderliche Verklärung der Wehrpflicht setzte erst 1933 ein. In der Weimarer Republik gab es sie nicht, die "Demokraten" hassten das Militär.

Da sich die Nationalstaaten auflösen, ist das verschwinden des „Bürgers in Uniform“ zugunsten von uniformierten Technikern und Ingenieuren nur logisch. Zudem sollte die Entscheidung darüber, ob ein Mann in den Krieg zieht, ein Recht und keine Pflicht sein. Die Neurosen, die an Kriegsheimkehrern heute diagnostiziert werden, lässt vermuten, dass eine große Anzahl von Leuten, an die Front geschickt werden, dem physischen Stress nicht gewachsen sind, weil sie nicht vom Kriege her denken und ihn nicht als „Badekur“ empfinden.

Wehrpflichtarmeen sind zur Aufstandsbekämpfung, das zeigt die aktuelle arabische Revolte, zudem nur schwer handhabbar. Der Untergang des Ostblocks ist wesentlich auf das Versagen der „bewaffneten Organe“, der „Volksarmeen“ und „Volksmilizen“ zurückzuführen. Als die russischen Panzer in den Kasernen blieben, kollabierten die ihrer „Schutzmacht“ beraubten Satellitenstaaten binnen Monatsfrist ohne nennenswerten Widerstand, gerade weil die Kommis ihre Bewaffneten aus „dem Volke“ rekrutierten. Der größte Reinfall in der DDR waren die Arbeiterkampfgruppen, die sich natürlich nicht gegen ihre revoltierenden Kollegen mobilisieren ließen, obwohl gerade das ihr genuiner Auftrag war. Ausnahmen von diesem allgemeinen Versagen gab es nur dort, wo ethnische die politischen Konflikte überlagerten.

Eine Wehrpflichtarmee ist umgekehrt kein Instrument für politische Putsche oder einen Bürgerkrieg. Wehrpflicht selektiert politische Ansichten und Überzeugungen nicht. Im Inneren ist die Wehrpflicht schlicht nutzlos. Deutschland hat, zum ersten Mal seit über 2000 Jahren, keine äußeren Feinde mehr an seinen zahlreichen Grenzen stehen, die begehrliche Blicke auf den deutschen Reichtum werfen. Der Feind, der Deutschlands Reichtum verschleudert, steht im Inneren.


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(1) JUNGE FREIHEIT; Nachruf auf eine Ehrenpflicht

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