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Sonntag, 4. März 2012

Auschwitz vergessen?

Henryk M. Broder wäre es am liebsten, die Deutschen würden Auschwitz vergessen, mitsamt ihrem "Erinnerungswahn". So titelt der Autor heute in der WELT AM SONNTAG.

Ich gehöre einer Generation an, die weit nach dem Krieg geboren wurde. Ich hatte nicht einmal die Chance in Auschwitz Lagerleiter oder auch nur ein Wachposten zu werden, der wild um schießend Häftlinge abknallt. Meine Generation taugt höchstens zum Museumswächter, der gruslige Geschichten zu erzählen weiß. Anna Seghers war zwar nie im KZ, aber sie wusste ganz genau, wie es dort zuging.

Auschwitz kenne ich aus Erzählungen und Büchern. Als Jungpionier hat man mich damit erschreckt, dass in den Konzentrationslagern hauptsächlich Kommunisten ermordet wurden, von ein paar unbelehrbare Sozialdemokraten abgesehen. Von den sechs Millionen Juden habe ich erst nach 1989 erfahren. Obwohl "erfahren" hier wohl ein unpassendes Verb für Erfahrung ist.

Den Ort, wo "Teddy", der Thälmann - der Sohn und Führer seiner Klasse - erschossen wurde, habe ich besichtigen dürfen. Als ich in Buchenwald war, da trug ich noch das blaue Halstuch. Dumm nur, ich war kein Arbeiterkind. Ich habe meine Klassenfeinde hassen gelernt.

Auschwitz vergessen? Dort haben sie Kommunisten, Sozialdemokraten und Juden umgebracht. Die Besten der Besten, die die Menschheit je hervorgebracht hat. Die Quintessenz des Guten: Die Antifaschisten. Die Juden. Die Guten.

Nein, Auschwitz werden wir euch nie vergessen. Man hat uns dafür in Haftung genommen. Uns Rechnungen ausgestellt. Uns verantwortlich gemacht. Das dauert bis heute fort. Nur deshalb, weil ich einen deutschen Vater hatte. Das soll ich vergessen? Das alles soll ein Aprilscherz gewesen sein? Bekommen wir jetzt unser Geld zurück? Und unsere Ehre? Und die unserer Väter? Und die Staatsräson, die Merkel an Israel verpfändet hat?

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