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Mittwoch, 22. Juni 2011

Volkssport spitzeln

"Das hat George Orwell in seinem ahnungsvollen Roman „1984“ nicht vorhergesehen: daß die Menschen dereinst nicht von einem totalitären System voll überwacht werden, sondern daß sie dies – nichtstaatlich organisiert – heute zu Millionen freiwillig selbst übernehmen.1"

Wenn es Orwell nicht gesehen hat, dann ist spätestens seit der Auflösung der Stasi klar geworden, dass das Heer der IM aus ehrenamtlichen und willigen Helferlein bestand, die nicht davor zurückschreckten, die eigene Familie auszuspitzeln. Morosov (Bild), dieses abscheuliche Bolschewistenbalg, das seine eigenen Eltern vor ein Erschießungskommando der Tscheka brachte, war offizielles Vorbild auch in der DDR. War es nicht Vera Lengsfelds Gatte, der zum regelmäßigen Rapport zur Stasi rannte?

Niemand wurde gezwungen mitzumachen, auch wenn Ertappten das Gegenteil behaupten. Die Stasi verließ sich nicht auf Erpressung, sie setzte vielmehr auf Überzeugungen. Die Menschen tun dies aus eigenem Antrieb, weil sie Abweichungen von ihren Normen hassen und sich über jeden, der irgendwie auffällig wird, das Maul zerreißen. Heimliches spitzeln und anschwärzen war seit jeher ein beliebter Volkssport. Nicht erst seitdem des das Internet gibt. In der Disziplin waren die schon die Athener Meister.
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(1) JUNGE FREIHEIT; Die neuen Blockwarte

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