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Freitag, 9. März 2012

Die Gedanken sind frei

"Aus Hitlers „Mein Kampf" dürfen weiterhin keine Auszüge veröffentlicht werden. Das Landgericht München entschied: Das Zitatrecht deckt den Abdruck nicht."
Jeder Deutsche mit eigenem Hirn hat "Mein Kampf" gelesen und sich ein eigenes Urteil darüber gebildet. Die Urteile mögen unterschiedlich ausfallen, aber wer das Buch nicht gelesen hat, kann keinen eigenen Standpunkt in Anspruch nehmen, weil er darauf angewiesen ist, was andere ihm vorschwatzen. Man kann die Worte Kants gar nicht oft genug zitieren:

"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen."

Wer nur Sekundärliteratur lesen darf, der kann sich seines Verstandes nicht bedienen, er muss sich darauf verlassen, wie andere urteilen. Hegel, auf den sich Marx berief, gab es in der DDR fast nur antiquarisch; selbst Kant gab es nur als Sekundärliteratur, weil alles, wirklich alles, marxistisch-leninistisch uminterpretiert wurde. Man hat uns damals nur wiedergekäutes vorgesetzt.

So wie damals, ist es heute: Man hat die "Aufklärung" ins glatte Gegenteil von dem verwandelt, was Kant einst meinte. Seit 1989 hat sich der geistige Horizont in diesem Lande sukzessive verengt und die heutigen Zustände erinnern mich immer mehr an die Verhältnisse der DDR. Argumente werden durch überbordende Gefühle ersetzt, die jede Debatte im Keim erstickt. Das Ergebnis konnte man beim gestrigen Zapfenstreich wieder einmal begutachten: Es wird nur noch 'getrötet', getrillert und gelärmt, gegen alles, was 'dem Volk' nicht passt -- nein, nicht 'das Volk'. Das hat keine eigene Meinung. Es ist die Meinung derer, die den Ton anstimmen, in den die trög trötende Masse nur lärmend einfällt. "Wollt ihr den totalen Krieg?" Nichts hat sich seither geändert.

Wer Bücher verbietet, verbietet den Gebrauch des Verstandes. Der Aufklärung ging es immer um die Freiheit des Denkens, nie um die des Handelns. "Räsonniert, soviel ihr wollt, und worüber ihr wollt; nur gehorcht!", schreibt Kant in seinem Aufsatz zur Aufklärung. Verbietet von mir aus die NPD, nur verbietet weder Worte, noch Bücher. Denn dazu hat ihr weder Recht, noch Legitimation.
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(1) Gerichtsurteil: "Mein Kampf" bleibt in Deutschland verboten; WELT ONLINE

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