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Sonntag, 19. Februar 2012

Menschenrecht auf Gewalt

"Die Politik muss auf die Unterdrückung der Gewalt hinarbeiten."
Der Satz steht in einer SPON-Kolumne von Jacob Augstein.1

Der Satz ist unlogisch, weil widersprüchlich. Wie will man Gewalt unterdrücken? Mit Gewalt? Ohne die wird es nicht gehen. Von jeher dasselbe Spiel: Gute Gewalt, schlechte Gewalt, mit dem Sieg als Richter.

Ohne Gewalt gäbe es keine 'moderne Welt', wie immer man sie definiert oder was man von ihr hält. Die Gewalt entfesselte sich während der Französischen Revolution in epischen Ausmassen, wie sie hernach in periodischen Schockwellen die Welt umraste. Das Fundament der 'modernen Welt' ist die Gewalt. Zuletzt in Libyen, heute in Syrien. Was der 'moderne Mensch' als Fortschritt betrachtet, hat seine Ursache dort. Nirgendwo anders. Es ging und geht um die Durchsetzung 'moderner Paradigmen' gegen jene, die sich dagegen sträuben. Dabei floss und fließt Blut, viel mehr als in jeder Epoche zuvor. Von der Antike vielleicht abgesehen. Das alles im Namen des Humanismus.

Gewalt ist Vater aller Nationen. Die einen macht er frei, die anderen unterdrückt er. Die Freiheit erlangt man nur durch den Sieg. Ohne Kampf kein Sieg. Ohne Gewalt - in ihren verschiedensten Formen - kein Kampf. Diese Kausalkette ist ein Naturgesetz; niemand käme auf die lächerliche Idee, die Schwerkraft durch politischen Willen abzuschaffen.

Wer den Menschen das Recht auf Gewalt nimmt, der macht ihn in letzter Instanz wehrlos, denn die Mär vom gewaltfreien Rechtsstaat widerlegt die Justiz nahezu täglich. Wer das Recht auf Gewalt leugnet, nimmt Unterdrückten das letzte Mittel um sich aus auferlegter Sklaverei zu erheben. Es gibt ein Menschenrecht auf Gewalt. Sie gehört zur Freiheit, ist gar ihre unmittelbare Voraussetzung. Das man sie einhegen muss, sei unbestritten. Aber es war die Moderne, welche diese Zäune niederriss und das mittelalterliche, freilich unerreichte, Ideal von der Ritterlichkeit vernichtete.

Die Aufgabe der Politik ist es mitnichten Gewalt zu unterdrücken. Vielmehr ist es ihre Aufgabe Grenzen abzustecken, deren Überschreitung ins Unrecht setzt. Unabhängig vom Standpunkt der Sieger oder der Besiegten.
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(1) S.P.O.N. - Im Zweifel links: Krachts Krieg; SPIEGEL ONLINE

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