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Dienstag, 29. März 2011

Der Wille zur Macht

Stalin wurde von seinen Anhängern als Meister der "jähen Wendungen" gefeiert. In der Tat waren seine politischen Volten, wie zum Beispiel in der Deutschlandpolitik, legendär.1 Stalin bezeichnete sich selber als Kommunist, aber er war kein Überzeugungstäter der sich mit Dogmen abgab, vielmehr war er ein moderner „Iwan Grosny“, der einzig am Erhalt und der Vermehrung seiner persönlichen Macht interessiert war.

Der Logik der Macht standen und stehen politische Grundüberzeugungen immer im Wege, wenn man mit Letzteren keine Mehrheiten zu organisieren vermag. Wer Macht will, kann sich keine Gesinnung leisten.

Ein zeitgenössisches Beispiel ist die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Man hat ihr mehr als einmal vorgeworfen, sie wäre eine Opportunistin reinsten Wassers, weil sie die Koordinaten ihrer Partei beständig nach links verschiebt, um sich politische Optionen für den Machterhalt jenseits der traditionellen Lager zu öffnen.

Um Opportunist zu sein, muss man irgendwann einmal Überzeugungen besessen haben, die man um eines Vorteils willen aufgibt. Merkel hat nie, auch in DDR-Zeiten, Überzeugungen erkennen lassen, sie bastelte vielmehr auch unter den Roten zielstrebig an ihrer eigenen Karriere.

Merkel agiert vielleicht nicht immer geschickt, aber stets mit einem ausgeprägten Willen zur Macht. Die jähe Wende ihrer Partei in Sachen Atompolitik unter dem Menetekel einer drohenden Atomkatastrophe in Fukushima ist atemberaubend, werden doch in der CDU heute Positionen vertreten, die vor Wochenfrist dort noch als „linksradikal“ galten. Das keine Charakterlosigkeit sondern nur schlecht vernebelte Machtpolitik.

Dabei ist die Annäherung der Christdemokraten an das linke Parteienspektrum eigentlich nur den Besonderheiten des politischen Systems in Deutschland geschuldet und weniger den politischen Ansichten der handelnden Protagonisten. Es gibt in diesem Lande gleich drei Parteien die linksradikale und linksliberale Befindlichkeiten bedienen, während auf der rechten Seite, abgesehen von randständigen Splittergruppen, gähnende Leere herrscht. Hätte die CDU einen rechten Koalitionspartner, der in der Lage wäre das konservative und migrationskritische Klientel zu mobilisieren, dann stünde die Frage nach einem Linksruck der CDU nicht.2

Die Zeiten der großen Volksparteien sind durch die sich schnell entfaltende Diversifizierung der Gesellschaft vorbei. Keine Partei hat die Kraft die unzähligen Einzel- oder Gruppeninteressen unter einem organisatorischen Dach zu vereinen, schon deshalb, weil sie regelmäßig miteinander kollidieren. Das übersteigt die Integrationskraft klassischer Volksparteien.

Das sich die CDU nun den Grünen annähert3 ist diesen deutschen Eigentümlichkeiten geschuldet. Die CDU verliert den konservativen und rechten Rand, gewinnt aber eine politische Machtoption: die Grünen als möglichen Koalitionspartner, wenn FDP und SPD in der Wählergunst zurückfallen. Im Osten sind sogar Koalitionen zwischen Linken und CDU so undenkbar nicht. Genau darum geht es in der Politik. Die ehemalige Stammklientel der Partei wandert entweder zu den Nichtwählern ab oder verschwindet in der Bedeutungslosigkeit neuer Projekte. In der Gewinn- und Verlustrechnung sind solche Bewegungen nicht signifikant, da nicht die absoluten Stimmen gezählt werden.

Es ist der klassische Widerspruch, der in jedem politischen System zu beobachten ist: Entweder man hat eine Gesinnung, dann hat man keine Gestaltungsmacht, weil sich Geisteshaltungen niemals mehrheitsfähig sondern die Angelegenheit kleiner, kopfgesteuerter Eliten sind. Oder man hat Gestaltungsmacht, dann man allerdings keine Gesinnung, weil man stetig – auch in autoritären oder totalitären Systemen – dabei ist, diese Macht durch Kompromisse abzusichern. Da zudem niemand so genau weiß, was eigentlich "rechts" oder "konservativ" ist, kann man - Beispiel Koch - so ziemlich jede "jähe Wendung" unter diesen Marken verkaufen. Die Skepsis gegenüber dem technischen Fortschritt, mithin der Kernkraftwerke, gehörte doch irgendwann zu den Alleinstellungsmerkmal der Reaktion.

Jedes politische System bringt zwangsläufig pure Machtpolitiker hervor, die im besten Falle begnadete Demagogen sind. Oder um es mit Adenauer auszudrücken: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern."
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(1) Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 61, 12. März 1952, S. 1; Stalins jähe Wendung
(2) Die irrationale Angst vor einer solchen Partei ist praktisch mit der Hand zu greifen. Nicht umsonst wird der "Kampf gegen rechts" hoch subventioniert. In Hamburg hat Schill aus dem stand eine zweistelliges Wahlergebnis geholt. Das Potential ist auch anderswo vorhanden.
(3) SPON; Merkel will mehr Grün wagen

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