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Donnerstag, 10. Mai 2012

Vaterlandsverrat!

"Sollten sich die Sozialdemokraten vor den Karren der Reformverweigerer in den Krisenländern spannen lassen, grenzte dies an Vaterlandsverrat. Nicht nur Hollande, auch die hiesige Opposition sollte sich davor hüten, den Fiskalpakt anzutasten.1

"Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!" 

Die alte Kommunistenparole scheint fröhliche Urständ zu feiern. Das die Sozis "vaterlandslose Gesellen" sind, davor hat schon Bismark gewarnt:
"Wie kommt es, daß die Sozialdemokratie gerade im Deutschen Reiche eine so große Macht erlangt hat? Bis zum Jahre 1870 war Frankreich das eigentliche Versuchsfeld für ihre Bestrebungen. Die französische Regierung warf sie jedoch nieder. Sie sah sich nunmehr in Europa um, wo sie ihre Zelte, die sie abbrach, aufschlagen könne.

„Die Leiter sahen sich um in Europa, wo sie nun den Hebel anlegen könnten; daß ihnen da Deutschland in erster Linie einfiel, dorthin die Agitation zu verlegen, das wundert mich gar nicht. Ein Land mit so milden Gesetzen, mit so gutmüthigen Richtern, ein Land mit hervorragender Freude an der Kritik, namentlich wenn sie die Regierung betrifft, ein Land, in dem der Angriff auf einen Minister, das Tadeln eines Ministers noch heut für eine That gilt, – ein Land, wo die Anerkennung für irgend etwas, was die Regierung thut, gleich in den Verdacht des Servilismus bringt, ein Land, in dem die Operationsbasen des Sozialismus, die großen Städte, durch die fortschrittliche Bearbeitung sehr sorgfältig vorbereitet waren, wo die Diskreditierung der Behörden und der Institutionen durch die fortschrittliche Agitation bereits einen sehr hohen Grad erreicht halte, das hatte sein Anziehendes.

Der Deutsche hat an und für sich eine starke Neigung zur Unzufriedenheit. Ich weiß nicht, wer von uns einen zufriedenen Landsmann kennt. Ich kenne sehr viele Franzosen, die vollständig mit ihrem Geschick, mit ihren Erlebnissen zufrieden sind. Wenn sie ein Handwerk ergreifen, so stellen sie sich die Ausgabe, durch dasselbe, wenn es möglich ist, vielleicht bis zum 55. Jahre eine gewisse Vermögensquote zu erreichen; haben sie die, so ist ihr ganzer Ehrgeiz, sich als Rentier bis zu ihrem Lebensende zurückzuziehen. Vergleichen Sie damit den Deutschen; dessen Ehrgeiz ist von Hause aus nicht auf eine nach dem 50. Jahre zu genießende mäßige Rente gerichtet, – sein Ehrgeiz ist schrankenlos. Der Bäcker, der sich etablirt, will nicht etwa der wohlhabendste Bäcker in seinem Ort weiden, nein, er will Hausbesitzer, Rentier, er will nach seinem größeren Berliner Ideal schließlich Bankier, Millionär werden. Sein Ehrgeiz hat keine Grenze. Es ist das eine Eigenschaft, die ihre sehr guten Seiten hat, es ist die deutsche Strebsamkeit, sie steckt sich ihr Ziel niemals zu kurz, – aber sie hat auch für die Zufriedenheit im Staat ihr sehr Bedenkliches, namentlich unter den unteren Beamtenklassen. Wo ist der Beamte, der in der Erziehung seiner Kinder nicht eine Stufe höher hinaufsteigen will, als die, die er selbst gehabt hat? Und die Folgen dieser Unzufriedenheit sind, daß ein großer Theil unserer Subalternbeamten von der sozialistischen Krankheit angesteckt ist."2
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(1) Kritik an Fiskalpakt: Hollande-Ruck der SPD grenzt an Vaterlandsverrat; WELT ONLINE:  (2) Otto von Bismarck; Aus der Rede vor dem Reichstag über das Sozialistengesetzes; 1878

1 Kommentar:

  1. 1968 in der „revolutionären Provinz“ in Würzburg bei einer Kundgebung im Studentenhaus referierte ein SPDler zu den Notstandsgesetzen, welchen ja die SPD-Sozis in der großen Koalition zugestimmt haben. Da gingen dann Transparente hoch mit der Aufschrift - begleitet vom Geplärre der Vertreter der sog. K-Gruppen: „Wer hat uns verraten - Sozialdemokraten!“
 Und das hatte nicht nur mit den "Notstandsgesetzen" zu tun.
    Ich war damals mit der SPD von Willy Brandt noch verbandelt, war ja auch einige Jahre SPD-Mitglied und dort aktiv. Als ich damals dieses Geplärre von den „Kommilitonen“ mit Kommissar-Lederjacken, Ballonmützen und anderen Accessoires uniformiert, erlebte, dachte ich mir: der Noske hatte recht. Drauf auf diese Haufen von Chaoten, Spartakisten, Bolschewiken, die Deutschland und das Volk noch tiefer runterdrücken möchten, als es von außen möglich ist.

    Der Internationalismus ist aber Tradition in der SPD. Das kann auch die Zustimmung zu den Kriegsanleihen 1914 und der Kampf gegen die unbdeingt internationalistisch geprägte Gruppe um Rosa Luxemburg (Spartakusbund) nicht verschleiern.
    Das wurde mir dann offensichtlich durch die Bahr-/Brandt-Ostpolitik. Und heute durch die unverkennbare Orientierung der SPD auf eine EUdSSR und eine sozialistische „Eine-Welt-Ordnung“.
    Die Antwort auf die Frage “Wer hat uns verraten“ ist klar - wenn auch im anderen Sinn, als es die K-Gruppen meinten.

    Das Psychogramm, das Bismarck von den Deutschen entworfen hat, konnte damals und kann auch heute nicht in grundsätzlich widerlegt werden. In der Betrachtung der Bismarckschen Sozialisten-Gesetze, wie sie uns in der Schule nahegebracht wurden, bin ich zum „Revisionisten“ geworden. Reaktionär ohnehin schon.

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