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Donnerstag, 14. Februar 2013

Schwule Sadisten

Fast alle jene, die eine sexuelle Erklärung für Hitlers Psyche postulieren, enden schließlich bei der Behauptung, dass Hitler ohne seine nicht natürliche Sexualität nicht nur sexuell normal, sondern (so lautet die Implikation) auch moralisch normal gewesen, jedenfalls nicht zum Massenmord getrieben worden wäre. Es ist das schwache Echo von Wilhelm Reichs Überzeugung, dass die Ursprünge des Bösen in dem Unvermögen zu suchen sind, zu einer gesunden normalen orgastischen Entspannung zu kommen. Es ist das schwache Echo des romantischen Glaubens, dass die Befreiung von sexuellen Repressionen uns vom finsteren Mittelalter, den dunklen Trieben in uns, befreien würde.

Ron Rosenbaum
Im Grunde landet Martin Compart mit seinem Buch "Sex-Skandale der Nazis" ziemlich punktgenau bei dem, was Rosenbaum kritisiert. In Zeiten, in denen uns das promiske Sexualleben von Bonobo-Horden als vorbildlich suggeriert und der Mensch nicht über seine Person, sondern über seine "sexuelle Orientierung" definiert wird, sucht man natürlich auch die Ursachen "des Bösen" unterhalb der Gürtellinie. Was liegt also näher, das Sexualleben führender Nazis auszuleuchten, um Beweise für ihre sexuelle Perversion beizubringen, die auf das Alltagsleben im Dritten Reich durchschlagen? Es sei vorweggeschickt: Der Versuch scheitert, sowohl bei Hitlers Beziehung zu seiner Nichte Geli Raubal, wie auch bei Ernst Röhm und seinen Nazi-Genossen. Das meiste bleibt reine Spekulation und dort wo Fakten vorliegen, sind sie nicht zielführend. Dem Autor, der auf seiner Netzseite die katholische Kirche schon mal als "sado-masochistischen Männerbund" denunziert, gelingt es nicht, seine Thesen sachlich zu unterfüttern.

Indes, kurzweilig ist die Lektüre des Buches allemal und wer am Voyeurismus gefallen findet, dem sei dieses Buch "wärmstens" empfohlen, bietet es doch auch recht interessante Details. Ich wusste nicht, dass Ernst Röhm, Führer der nationalsozialistischen SA, aktives Mitglied der Homosexuellenorganisation "Bund für Menschenrechte"(!) war, der rund 50.000 Mitglieder zählte und der sich für die Abschaffung des Paragrafen 175 stark machte. Röhm war also keineswegs ein verschämter Homo, vielmehr hatte er sich offen "geoutet" und verlangte das von den Mitgliedern seines Stabes, allesamt homosexuell veranlagt, auch. Dass der SA-Mann für seine Homosexualität nie verurteilt wurde, lag an einer Besonderheit der Gesetzgebung der Weimarer Republik: Dem Angeklagten musste der Beischlaf bewiesen werden. In der Praxis war das kaum möglich. Ihn als Blutzeugen für die Verfolgung Homosexueller im Dritten Reich aufzurufen, ist im Lichte dieser Fakten mehr als fragwürdig.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Rolle der SPD und ihrer Parteiblätter, wie beispielsweise der "Münchener Post", ein sozialdemokratisches Boulevardblatt, das wiederholt die Homosexualität von Röhm und seinen Konsorten zum Anlass nahm, um "die deutsche Jugend vor homosexueller Entartung zu schützen". So stand es in einem Urteil, mit der ein gewisser Dr. Klotz das Recht erstritt, intimste Briefe aus Röhms Feder zu veröffentlichen.


2 Kommentare:

  1. Psychologisieren wir mal in lieb-linker Manier noch etwas weiter ... von "Rosenbaum" am Ende des Zitats zu "Rosenberg" im Text ... das scheint ja fest ein Freudscher Mythus ;-)

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