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Montag, 8. April 2013

Über die Grundtorheit der Epoche

"Der Antikommunismus ist die Grundtorheit der Epoche." Mit dem Satz von Thomas Mann bin ich aufgewachsen.

Irgendwann später habe ich Julius Evola gelesen, der tatsächlich behauptete, dass die Sowjetunion und die USA eineiige, wenngleich feindliche Zwillinge wären, weil beide aus dem gleichen Ideenvorrat schöpften. Ich habe das als Schmarrn abgetan, wiewohl sich dieses Kapitel tief in mein Hirn fraß, sich dort festsetzte und sukzessive neue kleine Ideen gebar, die samt und sonders in der geistigen Vaterschaft Evolas standen.

Heute, mehr als 23 Jahre nach dem Fall der Mauer, haben die Nachkommen dieses Gedankens mein Hirn überwältigt.
Thomas Mann hatte recht: Aber der Antikommunismus ist deshalb eine Grundtorheit, weil er den Antikapitalismus und den Antisozialismus nicht ausdrücklich einschließt. Man kann gegen das eine nicht sein und das andere dafür herzen. Antikommunismus ohne Antikapitalismus ist einfach nur dämlich.

Der Grundwiderspruch, um im marxistischen Jargon zu bleiben, ist nicht sozial determiniert, sondern anthropologisch motiviert, auch wenn er nicht mehr wirklich ins Bewusstsein dringt: Es geht um die Frage, ob sich der Mensch der Maschine anpassen muss oder die Maschine dem Wohle der Menschen dient. Um die Frage, die Kommunisten der ersten Stunde noch kannten: Befreit uns die Maschine von der Last täglicher Lohnarbeit oder lassen wir uns versklaven?

Schon Antipatros von Thessalonike lässt seine Mädels in einem Gedicht von der arbeitsbefreienden Kraft der ersten Schöpfräder schwärmen. Sie mussten nicht mehr täglich Wasser holen, weil ihnen das Wasserrad diese Arbeit abnahm.

Die große Idee des Mittelalters, wie des katholischen Christentums, die ihren Ausdruck in vielen Volksmärchen findet: Der Traum vom Schlaraffenland, einem Utopia, in dem der Mensch von den Sorgen ums tägliche Dasein befreit, sein Leben in vollen Zügen nach eigenen Gusto genießen kann.

Oder, um es mit den Worten „des Philosophen“ – nach Aristoteles gab es keine ernsthaften Aspiranten dieser Wissenschaft mehr – zu sagen: Jeder nach seinen, nur ihm eigenen, Fähigkeiten und Begabungen. Ach, wär das schön.

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