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Donnerstag, 11. August 2011

Die Ratten

Heute sah ich in der Chemnitzer "Freie Presse" eine bemerkenswerte Karikatur auf Seite zwei. Die Abbildung zeigt zwei Gruppen Jugendliche. Die einen demonstrieren in Damaskus und halten Schilder hoch, auf denen 'Demokratie' und 'Freiheit' standen, während ihre Londoner Antipoden Flachbildfernseher in die Höhe hielten. Die subtile politische Botschaft muss nicht nicht weiter interpretiert werden, sie passt ins Klein-Fritzchens: Hier das Gute, das gegen böse Diktatoren 'kämpft', dort der böse Mob der randalierend die heile Welt der Demokraten in Brand setzt.

Indes, glaubt wirklich jemand das es den syrischen Jugendlichen um 'Demokratie' und 'Freiheit' geht? Ich erinnere mich an die Vorgänge in der Ostzone im Jahre 1989ff. Dort ging es auch um Demokratie und Freiheit. Vordergründig. Denn mit 'Demokratie' und 'Freiheit' assozierten die meisten DDR-Bürger nicht abstrakte sondern die materielle Werte; den raschen Zugriff auf Wohlstand und hohen Lebensstandard, den die Demokratie scheinbar von selbst gebiert. Die bewegten Bürger begriffen recht schnell, das eine demokratische Regierung durch Liebesentzug leicht erpressbar ist; genau deshalb häufen Demokratien mit großzügigen Wahlgeschenken exorbitante Schulden an; genau deshalb leben sie nicht von dem, was hier und jetzt erwirtschaft wird, sondern leben Demokratien zwangsläufig auf Kosten der Zukunft, die dem kinderlosen, individualistischen Protagonisten herzlich egal ist. Die Losung 'mehr Demokratie wagen', ist nichts anderes als der Schrei nach noch mehr vertikaler und horizontaler Umverteilung, nach noch mehr Schulden.

In diesem Sinne hat der Zeichner, wenn auch ungewollt, eine Wahrheit auf Papier gebracht: Der Mob in Syrien und der in London unterscheidet sich nicht. Heinrich Heine hat es um 1845 in einem weitsichtigen Gedicht zu Papier gebracht:

Die Wanderratten
Heinrich Heine

Es gibt zwei Sorten Ratten:
Die hungrigen und satten.
Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
Die hungrigen aber wandern aus.

Sie wandern viel tausend Meilen,
Ganz ohne Rasten und Weilen,
Gradaus in ihrem grimmigen Lauf,
Nicht Wind noch Wetter hält sie auf.

Sie klimmen wohl über die Höhen,
Sie schwimmen wohl durch die Seen;
Gar manche ersäuft oder bricht das Genick,
Die lebenden lassen die toten zurück.

Es haben diese Käuze
Gar fürchterliche Schnäuze;
Sie tragen die Köpfe geschoren egal,
Ganz radikal, ganz rattenkahl.

Die radikale Rotte
Weiß nichts von einem Gotte.
Sie lassen nicht taufen ihre Brut,
Die Weiber sind Gemeindegut.

Der sinnliche Rattenhaufen,
Er will nur fressen und saufen,
Er denkt nicht, während er säuft und frißt,
Daß unsre Seele unsterblich ist.

So eine wilde Ratze,
Die fürchtet nicht Hölle, nicht Katze;
Sie hat kein Gut, sie hat kein Geld
Und wünscht aufs neue zu teilen die Welt.


Ratte bleibt Ratte. Ob sie nun in Syrien 'demonstriert' oder in London 'randaliert'. Sie alle haben dasselbe Ziel: die Umverteilung des Reichtums durch blanke Gewalt.

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