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Sonntag, 9. Oktober 2011

Eis und Feuer

Wir müssen einsehen, daß wir in eine Landschaft aus Eis und Feuer geboren
sind. Das Vergangene ist so beschaffen, daß man an ihm nicht haften, und das
Werdende so, daß man sich in ihm nicht einrichten kann. Diese Landschaft setzt als
Haltung ein Höchstmaß an kriegerischem Skeptizismus voraus. Man darf nicht an
den Teilen der Front angetroffen werden, die zu verteidigen sind, sondern an denen,
wo angegriffen wird. Man muß verstehen, die Reserven an sich zu ziehen, daß sie
unsichtbar und sicherer als in gepanzerten Gewölben geborgen sind. Es gibt
keine Fahnen außer denen, die man auf dem Leibe trägt. Ist es möglich, einen
Glauben ohne Dogma zu besitzen, eine Welt ohne Götter, ein Wissen ohne Maximen
und ein Vaterland, das durch keine Macht der Welt besetzt werden kann? Das
sind Fragen, an denen der Einzelne den Grad seiner Rüstung zu prüfen hat. An
unbekannten Soldaten ist kein Mangel; wichtiger ist das unbekannte Reich, über
dessen Existenz keine Verständigung nötig ist.

Nur so erscheint der Schauplatz dieser Zeit in seiner rechten Beleuchtung: als ein
Kampfgelände, spannender und an Entscheidungen reicher als je ein anderes für
den, der es zu würdigen weiß. Der geheime Anziehungspunkt, der den Bewegungen
ihren Wert erteilt, ist der Sieg, dessen Gestalt die Anstrengungen und Opfer auch
der verlorenen Abteilungen repräsentiert. Allein hier ist niemand zu Hause, der
nicht Krieg zu führen gedenkt.


Ernst Jünger; Der Arbeiter

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